Splittermond – Einsteigerbox

Ich habe seit langer, langer Zeit kein echtes Pen&Paper-Rollenspiel mehr gespielt. Nachdem einige Freunde durch meine sehr abgespeckte Auswahl an Regel- und Quellenbüchern eigenverschuldet neugierig geworden sind, wollten sie – ich zitiere – „auch mal D&D spielen“. Ich habe überhaupt kein D&D-Buch, was das ganze etwas problematischer macht.

Also habe ich das Internet durchfräst, um ein System zu finden, welches insbesondere für Spieler einsteigerfreundlich ist, aber auch ein bisschen „echtes“ Fantasy-Pen&Paper-Flair mitbringt und nicht allzu teuer ist, falls die Guten nach 20 Minuten keinen Bock mehr haben. D&D ist mir zu teuer, Cthulhu für unerfahrene Rollenspieler zu heftig und Pathfinder ist eigentlich auch nur D&D. DSA kommt schon mal gar nicht in Frage. Davon habe ich zwar noch mindestens einen Koffer voller Regelbücher, aber das System jemand völlig unerfahrenem zu erklären, würde mich (und den potentiellen Spieler) wohl an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen.

Ein lieber Bekannter hat mich also auf „Splittermond“, veröffentlicht vom Uhrwerk Verlag, hingewiesen. Ich habe nie davon gehört, obwohl es nach besagtem Bekannten wohl „eines der aktuell größten deutschen Systeme“ sein soll und für Einsteiger sehr geeignet. Na gut. Nun habe ich die geöffnete und durchgelesene Einsteigerbox vor mir, und was soll ich sagen. Ich bin ziemlich angetan.

Guter Eindruck?

Das ganze Paket kommt im schicken A5-Format, was für mich erst einmal ungewohnt war. In der (durchaus schweren und sich überraschend wertvoll anfühlenden) Box befindet sich ein ganzer Schwung Heftchen, vier Würfel (2W6, 2W10), ein Karten-Poster mit einem merkwürdigen Spielplan auf der Rückseite und zwei Bögen Papp-Tokens. Beim Durchschauen der Hefte fällt mehr auf: Ein kleines Schnellstart-Info-Blättchen, welches mir Anweisungen gibt, welches Buch welche Inhalte enthält, fällt heraus, ebenso wie sieben hübsch illustrierte, vorgefertigte Charakter-Archetypen und zehn unbeschriftete Charakterbögen für eigene Charaktere. Zusammen mit den fünf (!) Heftchen bin ich tatsächlich beeindruckt.

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„Der Pfad durchs Seelenmoor“, 15 Seiten

„Seelenmoor“ ist ein kleines, so wie’s aussieht komplett regelfreies Soloabenteuer in bester „..gehe zu Abschnitt 12“-Tradition. Mag ich nicht, ist aber schön, dass so etwas dabei ist. Next.

„Kettenrasseln“, 71 Seiten

Bei „Kettenrasseln“ handelt es sich um eine vierteilige, komplette kleine Kampagne für Einsteigergruppen. Der Spielleiter ist hier als Einsteiger inbegriffen: Neben praktischen Vorlesetexten und allerlei gewohnten Infos von anderen Abenteuerheften gibt’s hier einige Besonderheiten für Neulinge. Tipps für den Spielleiter zum Spielablauf und begleitende Regelerklärungen für jede neue Situation sorgen (hoffentlich) für einen reibungslosen Einstieg für alle am Tisch. Was mir persönlich sehr gefällt: Zu keiner Zeit liest sich das ganze zusammengequetscht oder gar gehetzt. Natürlich ist das Abenteuer „kleiner“ als eine große Kaufkampagne, sowohl textlich als auch von der Aufmachung her braucht die kleine, aber potentiell spannende Geschichte den Vergleich mit teureren Büchern nicht zu scheuen. Die Stories selbst reichen vom anfänglichen Dungeoncrawl über klar Rollenspiel-fokussierte Teile bis zu wildem Mischmasch aus Kampf, potentiellem Theater und investigativen Abschnitten. Einige hübsche Illustrationen, Karten und Portraits lockern die nett geschriebenen Texte auf, die kleinen Regelerklärungen sind on Point und lassen eine ganze Gruppe ohne jegliche Erfahrung mit nur wenig Nachschlagezwang ein Pen&Paper gemeinsam erlernen. Sehr schöne Sache. Wird gespielt.

„Die Regeln von Splittermond“, 59 Seiten

Hier war ich dann richtig überrascht. Ich bin von Starterboxen gewohnt, dass das Material zwar gerade so zum Spielen ausreicht, aber natürlich das Hauptanliegen des Herausgebers das Verkaufen von „richtigen“ (und teuren) Regelbüchern und Zusatzbänden/-boxen ist. Aber – zumindest, soweit ich es bisher beurteilen kann – enthält dieser Mini-Band tatsächlich alle Grundregeln, Besonderheiten und Infos, die man für ein richtiges Spiel benötigt. Hier erfahre ich auch, was dieses ominöse Spielplanposter soll: Statt regulärer Spielrunden wird die Zeit während der Kämpfe in sogenannter „Ticks“ gemessen, eine der großen Besonderheiten von „Splittermond“. Längere Aktionen verbrauchen mehr „Ticks“, somit haben schnelle Charaktere (respektive deren Papp-Tokens auf dem Spielplan) und deren weniger Ticks verbrauchende Aktionen weitaus mehr Gelegenheiten als langsamere, die mehr Tick-Einheiten verbrauchen – dies ergibt schnell durchaus Sinn und scheint sehr übersichtlich zu sein. Alle Würfe funktionieren mit den beigelegten Würfeln und erscheinen sinnig und unkompliziert – wenn ein Regelheft bereits beim Lesen das System als erstaunlich klar und nachvollziehbar darstellt, ist dies wohl ein gutes Zeichen.

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Das Regelheft erklärt nicht nur (ausführlich!) die Grundregeln des Spieles, Proben, Fertigkeiten und Kampf, sondern nimmt auch Besonderheiten auf, die ich eigentlich nur in der „Vollversion“ erwartet hätte – Ob Lichtverhältnisse oder taktische Kampfbesonderheiten, viele Sonderregeln und Umstände, die eigentlich keinesfalls zwingend sind, sind auch in dieser Junior-Version aufgeführt und erklärt. Ein großer Schwung teils sehr spezifischer Fertigkeiten ist ebenso dabei wie alle (?) Völker, viele Klassen und ein großer Teil der möglichen Zauber und Zauberschulen, allesamt ebenso wie in „Kettenrasseln“ sehr lesbar, sehr hübsch illustriert und vergleichsweise ausführlich und informativ erklärt. Auffällig ist dagegen die Beschränkung auf zwei Charakterstufen – danach wird man auf die vollwertige Version umsteigen müssen oder auf die Einsteigerbox-Erweiterung (!), die ebenfalls im Handel erhältlich ist. Ob es diese wirklich braucht, kann ich noch nicht wirklich einschätzen. Der Kauf der Komplettversion erscheint mir um einiges sinnvoller, zumindest aktuell. Aber halt, auch dies ist nicht nötig!

Zumindest eine Erklärung für den kompromisslosen Inhalt des Einsteiger-Regelbuches habe ich schon gefunden, und diese hat mich nicht weniger erstaunt als das Regelbuch an sich: das komplette Regelwerk, welches man im Handel oder auf der Splittermond-Webseite kaufen kann, lässt sich ganz offiziell als PDF beim Uhrwerk Verlag herunterladen. Kostenlos. Wow. Auch viele, viele andere Bücher, Zubehör und Unterlagen lassen sich kostenfrei selbst herunterladen und ausdrucken. Nicht alle, wohlgemerkt, aber da das Hauptregelwerk bei vielen Konkurrenzsystemen meist DAS essentiellste und gleichzeitig teuerste Produkt darstellt, muss ich hier erneut mein Käppi vorm Uhrwerk Verlag ziehen.

So oder so – das kleine Regelbuchheft ist ziemlich gut, und damit steht es nicht allein da.

„Die Abenteurer von Splittermond“, 31 Seiten

Im „Abenteurer“ gibt’s, wie zu erwarten, einen Überblick über sämtliche Rassen und Kulturen der Fantasywelt Lorakis, in der „Splittermond“ spielt. Es führt durch Charaktererschaffung und Spezialisierungen und erklärt das System der „Splitterpunkte“ – der anderen Besonderheit des Spieles. „Splitterpunkte“ sind eine Art Universalwährung für verschiedenste Spontanaktionen – Würfel-Rerolls, spezielle Skills, die ein Charakter sich zur Erstellung dazubestellen kann, bessere Regeneration bei Rast, sowas. Irgendwie hat Splittermond tatsächlich viele unauffällige Kleinigkeiten, die mir wirklich sehr gut gefallen und mich durchaus an diverse CRPG-Computergamesysteme erinnern. Auch in diesem Heftchen gibt’s verdammt schicke Illus und haufenweise Unterstützungsinfos für neue Spieler, Umgang mit Regeln oder Charakteren. Hier habe ich aber weitaus eher das Gefühl, dass Inhalte verkürzt oder weggelassen wurden als noch im Regelbuch. Nicht schlimm, vielleicht nicht mal wahr, aber das Gefühl ist da.

„Die Welt von Splittermond“, 55 Seiten

Die „Welt“ ist ein Buch, welches fast auch in zwei Hefte hätte aufgeteilt werden können. Zum einen findet man hier jede Menge Hilfe, Tipps und Kniffe zum Leiten eines Spieles, während die zweite Hälfte des Buches sich dann tatsächlich mit dem Land, der Welt und dem Hintergrund des Settings beschäftigt – insbesondere auch mit Hintergründen speziell zum beiliegenden Gruppenabenteuer. Insgesamt scheint dieses Buch trotz einer Menge Inhalt eher Unterstützung für das restliche Material zu sein. Aber mehr braucht es eh nicht, ich bin schon überzeugt.

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Insgesamt über 200 Seiten an Regeln, Quellen, Infos und Tipps – ich behaupte, das geht für eine Einsteigerbox durchaus in Ordnung, gerade im Vergleich mit einigen größeren Konkurrenten. Ich persönlich bin jedenfalls sehr beeindruckt, insbesondere für die sehr hübsche Aufmachung, die vollständig und sinnig wirkenden Regeln und die wirklich ungewohnten, kostenlosen Angebote der dazugehörigen Webseite. Insgesammt wirkt „Splittermond“ bisher für mich wie eine sehr, SEHR viel einsteigerfreundliche und sinnigere Version vom Schwarzen Auge. Wenn ich eine Runde für das Ding zusammenbekomme, werde ich auf jeden Fall noch einmal berichten.

Falls ihr P&P spielt, lasst mich gern wissen, was für Erfahrungen ihr mit diversen Starter-Boxen gemacht habt – dafür sind die Comments da!