Eigentlich hatte ich vor, einen mittellangen Blogartikel zu schreiben, um zu erklären, warum die AAA-Industrie im Allgemeinen und Speziellen mit all ihren aufgedeckten Skandalen über Schikane und absoluter Scheißbehandlung von Angestellten - vornehmlich Frauen - auf dem besten Weg ist, mir den Spaß am Videospielen zu nehmen, am Beispiel der aktuellen Ereignisse bei Blizzard Entertainment. Dann sind mir zwei Dinge klar geworden.
Sie haben es schon so ziemlich geschafft.
Es geht hier nicht um mich.
Um also nicht der nächste weiße, "männliche" Klugscheißer zu sein, der seine Meinung auf das geschmierte Brot senft, überlasse ich den Nachrichtenerstattern und vor allem den Betroffenen das Feld. Was ich übernehme, ist der Teil der allgemeinen Zusammenfassung und Abfolge der Nachrichten, die aktuell im Umlauf sind, um den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang herzustellen.
Und ich denke, das "Warum" auf das ursprüngliche Thema wird man sich danach ohne viele Mühe zusammen puzzeln können.
Timo
21 Juni 2021 - Bloomberg: "Activision Sued Over 'Frat Boy Culture, Harassment"
Bloomberg veröffentlicht einen Bericht von Maeve Allsup. Activision Blizzard Inc. sieht sich einer Gerichtsverhandlung gegenüber, die vom California Department of Fair Employment and Housing eingereicht wurde. Die Vorwürfe: AB - aber im spezifischen Blizzard direkt - bestehe aus einer Kultur der "Frat Boys", der in vielen Filmen dargestellten, hypermännlichen und toxischen Kultur der Jungenverbände in US-Hochschulen. Mitarbeiterinnen bei Blizzard sind konstanter sexueller Belästigung ausgesetzt, unfairer Bezahlung und Heimzahlungen der männlichen Mitarbeiter.
Die Staatsagentur führte eine zweijährige Untersuchung durch - später sollte sich herausstellen, dass eine sehr ähnliche Untersuchung derselben Agentur auch aktuell bei Riot Games durchgeführt wird - die Diskriminierung gegen weibliche Mitarbeiter enthüllte, was Gehalt, Stellenbelegung, Beförderungen und Kündigungen angeht. Die Führung der Firma war dauerhaft nicht in der Lage, Diskriminierung, Belästigung und Racheaktionen zu verhindern.
In sogenannten "Cube Crawls" trinken Mitarbeiter beträchtliche Mengen Alkohol und krabbeln ihren Weg durch die verschiedenen Büroabgrenzungen im Raum, und sich dabei Mitarbeiterinnen gegenüber unangemessen verhalten.
Mitarbeiterinnen werden laut des Berichtes absichtlich von Beförderungen zurückgehalten, da sie schwanger werden könnten. Sie werden kritisiert, wenn sie ihre Kinder aus dem Kindergarten holen, und werden aus Stillräumen gescheucht, damit männliche Kollegen den Raum für Meetings nutzen können, so die Aussagen.
Eine weibliche Activision Blizzard Mitarbeiterin nahm sich das Leben, als sie mit einem männlichen Vorgesetzten auf einer Firmenreise war. Bereits vorher war die Mitarbeiterin heftiger sexueller Belästigung ausgesetzt, so wurden beispielsweise Nacktfotos ihrer Person während einer Urlaubsparty herumgezeigt.
Die Agentur hat das Ziel, eine Unterlassung durchzusetzen, die die Firma zwingt, Arbeitsplatz-Schutzmaßnahmen zu ergreifen, ungezahltes Gehalt auszuzahlen und anzupassen, rückwirkend verdiente und verlorene Gehälter und Benefits an die weibliche Mitarbeiterschaft auszuzahlen.
Activision Blizzard's Reaktion ist abwehrend. Neben dem üblichen "Wir schreiben Diversität großen Wert zu und möchten einen Arbeitsplatz der inklusiv für jeden ist.." bezeichnet AB den Bericht des DFEH als "eine verzerrte, und an vielen Stellen falsche" Beschreibung von Blizzard's Vergangenheit. Das Institut wird in vollstem Angriffston beschuldigt, AB keinerlei Informationen über die gefundenen Fälle gegeben zu haben. Das Bild zeichne "nicht den Arbeitsplatz von Blizzard von heute".
Eine ehemalige World of Warcraft Game Masterin:
"2014 hat mich mein Teamleiter (der Chef des Chefs) während meiner Schwangerschaft täglich schikaniert. Er schrieb mich auf, weil ich im 8. bis 9. Monat schwanger war und die Toilette zum Pinkeln benutzte, und behauptete, ich hätte meine zugewiesenen Pausen nicht eingehalten. Jeden Tag, wenn ich zur Arbeit kam, wurde mir gesagt, dass dies der Tag sein könnte, an dem ich gefeuert würde.
Zu dieser Zeit war ich der bestplatzierte GM was Produktivität angeht (Anzahl der erledigten Tickets) und die Nummer 5-10 bei Kundenzufriedenheits-Umfragen. Ich schwankte zwischen der Nummer 1 und der Nummer 2 im Gesamtranking der GM, die sie damals hatten. Am Ende habe ich einfach nie bei der Arbeit getrunken und bin wegen Dehydrierung in der Notaufnahme gelandet.
Mein direkter Vorgesetzter schlich sich gerne von hinten an mich heran, packte mich an der Seite oder an den Schultern und schrie mich an, um mir Angst zu machen. Ich bin sehr schreckhaft und würde immer schreien. Er lachte mich aus, und sagte, ich solle mich beruhigen, wenn ich ihn anflehte, damit aufzuhören. Als ich mich bei meinem Teammanager (demselben wie oben) beschwerte, gab er mir einen Aufsatz von einem Harvard-Professor, in dem es darum ging, dass ich zu empfindlich auf Kritik reagiere. Ich musste ihn zu Hause lesen und dann allein mit den beiden Männern in einem Raum sitzen und ihnen erklären, was ich daraus gelernt hatte und wie ich in Zukunft aufhören würde, mich über die Berührungen zu beschweren. Ich verbrachte viele Mittagsstunden heulend allein in meinem Auto.
Ich kann immer noch nicht am Austin-Gebäude [von Blizzard | Anm d Erstellers] vorbeifahren, ohne fast zu kotzen. Wenn sich das CS-Management auf niedriger Ebene so verhält, kann ich mir nicht vorstellen, wie sich die hohen Tiere in Kalifornien verhalten. F*** dich, Miles. Ich hoffe, du verrottest in der Hölle."
Die Türen waren offen. Viele aktuelle oder ehemalige Mitarbeiterinnen von Blizzard Entertainment sprachen nun offen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse.
Cher Scarlett, ehemalige Mitarbeiterin bei Blizzard Entertainment:
Blizzard hat behauptet, der DFEH-Report wäre falsch/irreführend/unverantwortlich.
Ich kann euch sagen, dass ich wusste, was in diesem Bericht stehen würde, bevor ich ihn las, denn während meiner Zeit dort - in nur einem Jahr - habe ich ALLE DIESE DINGE erlebt.
UND NENNE NAMEN.
---
Als jemand, der belästigt, verletzt und bestraft wurde, der eine falsche Anzeige gegen mich erstattet hat, auf die einer meiner Belästiger reagiert hat, und der mit ansehen musste, wie eine meiner besten Freundinnen von den Machthabern dieses Unternehmens immer wieder traumatisiert wurde, kann ich die Erleichterung, die ich empfinde, nicht in Worte fassen.
---
Zu sehen, wie die Männer an der Macht in den letzten 7 Jahren immer und immer wieder belohnt wurden, zu erleben auf eine Blockliste gesetzt zu werden, nachdem ich öffentlich über meine eigene Belästigung/Racheporno-Hortung durch einen Community-Moderator berichtet habe... ihre Namen... in diesem Bericht... das bedeutet ALLES.
Ich will Gerechtigkeit für uns alle.
Kotaku, die in 2019 bereits über die Überwachung seitens Blizzards von schwangeren Mitarbeiterinnen berichteten, veröffentlichen ebenfalls einen Bericht, der in weiten Teilen mit dem von Bloomberg übereinstimmt.
Eine Afroamerikanische Mitarbeiterin berichtet, wie sie zwei Jahre auf eine Festanstellung wartete, während zahlreiche Männer während dieser Wartezeit eingestellt und festangestellt wurden. Sie wurde micro-gemanaged, während ihre männlichen Mitarbeiter Videospiele spielten. Wenn sie einen Pause machte, erwartete sie in vielen Fällen ein Anruf des Vorgesetzten.
Eine weitere, afroamerikanische Kollegin erzählt, wie sie nach einer eingereichten Frage nach Urlaubszeit von ihrem Manager aufgefordert wurde, eine schriftliche, einseitige Ausführung zusammenzustellen, wie sie diese Zeit verbringen würde. Dies galt nicht für die männlichen Mitarbeiter.
Kotaku veröffentlicht ebenfalls eine erweiterte Fassung der ersten Antwort von Activision Blizzard, in der weitere Vorwürfe über das "verwerfliche Verhalten" des DFEH zu lesen sind. "Es ist diese Art von unverantwortlichem Verhalten von nicht rechenschaftspflichtigen staatlichen Bürokraten, die viele der besten Unternehmen des Staates aus Kalifornien vertreiben." - eine klare Drohung, die impliziert dass solche Untersuchungen besser fallengelassen werden, wenn Kalifornien "seine" Spielefirmen behalten möchte.
Joy Fields, ehemalige Angestellte:
Was die Klage von Activision/Blizzard angeht, so glaube ich jedes Wort, denn ich habe dort meinen eigenen Anteil an sexueller Belästigung erlebt. Die Kultur dort war ein totaler Boy's Club. Es fühlte sich ehrlich gesagt an wie College 2.0. Die Belästigung war an der Spitze immer am schlimmsten.
Jason Schreier bestätigt, dass er diverse, ähnliche Geschichten über Blizzard in den vergangenen Jahren gehört habe. Später erklärt er, dass er schon seit einiger Zeit an einer Story über dieses Thema arbeite, da immer wieder anonyme und mit Namen verbundene Meldungen eingetroffen waren.
Auch Jez Corden, Reporter für Windows Central, stimmt zu und wurde ebenfalls von aktuellen und ehemaligen Blizzard-Angestellten kontaktiert, die die Vorwürfe der Klage unterstützen, und dem Statement von Activision jegliche Glaubwürdigkeit nehmen würden.
Nathaniel Chapman, ehemaliger Game Designer bei Blizzard
Kurz vor der Abreise habe ich mit dem Diversitätsrat darüber gesprochen, dass der Troll-Dialog in bfa [Battle for Azeroth, WoW-Addon | Timo] zu minimalistisch war; ich fand es unangemessen, dass ein überwiegend weißes Team schreibt. Eine Antwort war: "Finden Sie Kobolde rassistisch? Ich war verwirrt und kam erst später darauf, dass das wohl daran liegt, dass ich Jude bin. lol.
---
Ich habe auch gehört, wie sich ein berühmter Blizz-Scheißer vor einem Meeting darüber beschwert hat, dass Overwatch sich in die "Regenbogenkoalition" verwandelt. Ich weiß, es ist keine direkte sexuelle Belästigung, aber es fühlte sich nie wie ein Ort an, an dem man diesen Mist zur Sprache bringen konnte, und es sinnvoll behandelt würden werde.
Gegenüber MassivelyOP bestätigen Angestellte ein "Ehrenpunktesystem" in Blizzards Hierarchie und bestätigt damit weitere Gehaltsungleichgewichte innerhalb der Firma. Ein Spreadsheet der Gehälter und Gehaltserhöhungen machte die Runde, und erzählte die Geschichten von übersprungenen Mittagessen und Lebensumständen basierend auf Kaffee und Haferflocken, von verschobenen Familiengründungen durch Niedriglöhne einer Firma, die gerade ihren Quartalsumsatz von 1.93 Milliarden Dollar veröffentlicht hatte. Laut MassivelyOP enthüllten Reddit und WoWHead ein System von Ehrenpunkten, das Teile der Belegschaft mit einlösbaren Punkten statt Geld belohnte. Belohnungen für diese Punkte sind u.a. Spielzeit für Onlinegames und Battle.net Guthaben - anstelle von Gehaltserhöhungen.
Vixit, Ehemalige Artist bei Activision Blizzard
Ein Anwerber von Blizzard fand mich auf einer Branchenmixer-Veranstaltung und fragte mich vor einer großen Gruppe von Spieleentwicklern, ob ich Lust auf einen Dreier mit ihnen hätte.
Die Gruppe lachte mich aus und ich wollte mich unter einem Stein verkriechen. Das ist schon JAHRE her, aber es ist mir immer noch unglaublich peinlich.
Alanah Pearce, aktuell Developerin und Schreiberin bei Sony Santa Monica erstellte ein YouTube-Video über ihre Erfahrungen in der Industrie, treffend eingeleitet mit "..the stories that I fucking have.."
Ein weiteres Video erscheint im allgemeinen Fokus. Auf der Blizzcon 2010 fragt ein weiblicher Fan, ob Blizzard es in Betracht ziehen würde, an der allgemeinen WoW-Mode der "Bikini-Rüstung" etwas zu ändern. Die Frage wird von sofortigen Buh-Rufen des männlichen Publikums und mit der Antwort des Panels verlächerlicht. Die Enttäuschung des Fans ist kaum zu übersehen.
Inzwischen berichtet Polygon von der Kündigung hunderter Activision Blizzard-Mitarbeiter trotz des kürzlich verlauteten "Record Revenue" Jahres. 800 Mitarbeiter seien von der firmenweiten Umstrukturierung betroffen, knappe 8% der gesamten Belegschaft. Präsident von Blizzard Ent., J. Allen Brack, einer der Mitarbeiter auf dem Video oben, beschreibt die Kündigungen als "extrem schwere Entscheidung" und bietet Abfindungspakete sowie Bewerbungssupport.
Kurze Zeit später kursiert eine Rund-E-mail von Brack betreffend der laufenden Gerichtsverhandlung, die er als "extrem beunruhigend" bezeichnet. Er lädt zu Meetings mit vielen der Mitarbeiter ein, um zu diskutieren, wie man von hier aus weitermachen kann. Währenddessen verschickt Fran Townsend, ehemalige Homeland Security unter der republikanischen Bush-Führung, eine sehr anderslautende E-Mail, die die Gemüter bei Blizzard zum Kochen bringt.
Brad Crusco, ehemaliger Blizzard-Mitarbeiter:
Während meiner Zeit bei Blizzard wurde ich von mehreren männlichen Führungskräften sexuell belästigt. Explizite Beschreibungen von sexuellen Handlungen, die sie an mir vornehmen wollten, Angebote an meine Frau und mich für Sex, Rückenmassagen. Es geht noch weiter. Dies geschah oft vor den Augen meiner anderen Kollegen, die nichts sagten.
---
Zur Personalabteilung zu gehen, war keine Option. Man ging nur zur Personalabteilung, wenn man wollte, dass seine Geschichte sofort im ganzen Studio verbreitet wurde. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich versucht habe, mit jemandem darüber zu sprechen, wurde ich nie ernst genommen.
---
"Jungs sind eben Jungs", sagen sie. "Ich bin sicher, dass sie nur einen Scherz machen." Sexuelle Belästigung ist nicht lustig. Ich wollte einfach nur tolle Spiele machen.
Ich habe es also hingenommen, es weiterlaufen lassen und versucht, es so gut es ging zu ignorieren. "Das war es nicht wert, meine Karriere zu riskieren", sagte ich mir. Das bedauere ich bis heute am meisten. Ich wusste, je mehr ich mich damit abfinde, desto mehr ermögliche ich ihnen, sich anderen gegenüber so zu verhalten.
Ich bin sicher, dass durch meine Untätigkeit mehr Menschen verletzt wurden.
Mike Morhaime, ehemaliger Blizzard-Mitbegründer und jetzt Leiter von Dreamhaven, veröffentlicht ein TwitLonger, in dem er seine Sicht der Dinge beschreibt.
"Es ist alles sehr beunruhigend und schwer zu lesen. Ich schäme mich. Es fühlt sich an, als ob alles, wofür ich dachte, dass ich stehe, weggewaschen wurde. Schlimmer, aber noch wichtiger ist, dass echte Menschen zu Schaden gekommen sind, und einige Frauen schreckliche Erfahrungen gemacht haben", so Morhaime. "Ich höre euch, ich glaube euch, und es tut mir so leid, dass ich euch im Stich gelassen habe. Ich möchte Ihre Geschichten hören, wenn Sie bereit sind, sie zu erzählen. Als Führungskraft in unserer Branche kann und werde ich meinen Einfluss nutzen, um positive Veränderungen voranzutreiben und Frauenfeindlichkeit, Diskriminierung und Belästigung zu bekämpfen, wo immer ich kann."
Josh Allen, Community Manager "Lore" bei Blizzard, nimmt kein Blatt vor den Mund:
"Wenn ich gewusst hätte, dass das passiert, hätte ich es verhindert", sagt der Mann, dem wiederholt gesagt wurde, dass das passiert, und der nichts unternahm, um es zu verhindern"
Cher Scarlett, Ex-Blizzard Developer, ist zwiegespalten. Einerseits ist sie für Morhaimes nachträgliche Entschuldigung dankbar, andererseits enttäuscht.
"Als die Dinge [bei Blizzard] wirklich schlimm wurden fühlten sich viele von uns von dir im Stich gelassen, und was noch schlimmer ist, als ich mit körperlichem Schaden bedroht wurde und dich in Panik darüber informierte wurde ich dafür gerügt. Niemanden interessierte, wie viel Angst ich hatte, dass mein Versuch, jemandem das Leben zu retten, plötzlich meinen Job gefährdet hatte und dass ich deshalb auf einer Arbeitsveranstaltung angegriffen werden würde.
Ich hatte das Gefühl, dass mir nie Gnade gewährt wurde, obwohl so viele Männer in Führungspositionen immer wieder für ihr Verhalten entschuldigt werden, und oft das Gefühl vermittelt wird, dass sexuelle Belästigung völlig normal und "nicht so schlimm" sei, und sogar ein Kompliment, weil es in Battle.net und World of Warcraft so normal ist."
In einem weiteren Tweet klärt sie die Situation weiter auf:
"Mike war direkt verantwortlich für die Kettenreaktion von Ereignissen, die dazu führten, dass ich fast gefeuert wurde, weil ich ihn über Tia Zimmerman informierte, die mir mit Gewalt drohte, weil ich die Notrufzentrale kontaktierte, als sie mit Selbstmord drohte.
Er hat zwar niemanden angewiesen, es zu tun, aber er war der Leiter des Unternehmens und machte Kommentare darüber, wie es Blizzard Probleme bereitet und dass "die Dinge sofort erledigt werden müssen", was als "Cher feuern" interpretiert wurde.
Mein unmittelbarer Vorgesetzter setzte seinen Job für mich auf's Spiel, und der Kompromiss bestand letztendlich darin, mich als Low-Performer abzustempeln und meinen Bonus und mein Gehalt zu kürzen.
Sag mir nicht, wie du wolltest, dass wir zu dir kommen. Ich bin zu dir gekommen. Und Du hast mein Selbstwertgefühl zerstört."
Cher ist mittlerweile der Überzeugung, durch die Erlebnisse bei Blizzard nie mehr in der Spieleindustrie arbeiten zu können oder zu wollen. Sie ist aktuell glücklich bei Apple angestellt.
Auch Connie Griffith, ehemals Blizzard, mittlerweile bei Wizards of the Coast, glaubt Morhaime nicht.
"Jemand hat mich vor kurzem gefragt, was ich von Dreamhaven [Morhaime's neuer Firma] und ihrer Botschaft, einen vielfältigen Ort zu schaffen, halte. Ich habe geantwortet: "Wie könnte ich das glauben, wenn du toleriert hast, was bei Blizzard abgegangen ist? Ihr habt die Ränge [bei Dreamhaven] mit der alten Garde von Blizzard aufgefüllt."
"Ich hätte für Blizzard glänzen können. Aber du und all die anderen sind dafür verantwortlich, mich und unzählige andere zu vertreiben. [...] Ich hoffe, das hält dich nachts wach. Ich hoffe, du hast mindestens so viele miese Tage wie ich sie hatte."
Jess Castillo, Blizzard-Mitarbeiterin
Es gibt nichts Schöneres, als zu sehen, wie einer der eigenen Missbraucher in den sozialen Medien herumläuft und andere Frauen "unterstützt", die ihre Geschichte erzählen, während er gleichzeitig darüber spricht, wie hart es für ihn während seiner Zeit bei Blizzard war.
Ich möchte kotzen. Auch wenn ihr denkt, dass Missbrauch nur von Männern an Frauen stattfindet, liegt ihr falsch.
Kevin Meier, ehemaliger Personalmanager bei Blizzard, veröffentlichte ein TikTok-Video. Auch er wurde belästigt, und berichtet in seinem Video darüber und einige Vorkommnisse, die er bezeugen kann. LINK.
Ein weiteres TwitLonger stammt von Joy Fields, Ex-Blizzard, und nimmt besonders mit.
Joy arbeitete für sechs Jahre bei Blizzard, ist mit 20 Jahren dort angefangen, und entwickelte sich von Kundendienst bis zur Kreativentwicklung weiter. Sie wurde andauernd als Sex-Objekt behandelt. Männer in hohen Positionen boten ihr Reisen und Geld für ein Date. Ein Kollege lockte sie in sein Büro, schloss die Tür und schaltete das Licht ab, um sich dann neben sie auf die Couch zu setzen und über Sex zu sprechen. Er versuchte sie zu überreden, mit ihm zu schlafen. Joy saß oft weinend am Schreibtisch. Sie hörte von Freundinnen, wie Männer über ihren Körper sprachen, einige fragten sie gar direkt, ob ihre Brüste echt wären - und diskutierten, wenn sie "ja" sagte. Bei einem "Battle of the Bands" kommentierte einer der Juroren ihre Sprünge auf der Bühne mit "großem Talent", während er offenkundig über ihre Brüste sprach, und alle Anwesenden lachten. Jeff Donais, einer der damaligen Leiter, schüttelte ein Shake Weight, als er sie auf dem Flur fand. Er sagte, sie solle es mal ausprobieren, falls sie ein Talent für Handjobs zukünftig brauchen würde.
Jemand fand ihre DeviantArt-Seite, die sie während des Studiums als Aktmodell nutzte, und es dauerte nicht lang bis sie in einer E-Mail-Kette in der Firma herumgereicht wurde. Joy kann nicht glauben, dass die Verantwortlichen keine Ahnung hatten, was bei Blizzard vor sich ging.
"Sie wussten es. Sie haben es ermöglicht, und es ist längst an der Zeit, dass sich das ändert." sagt sie.
Lyndsi Achucarro - "Literally one of my bullet points from my manager"
Am 28. Juli, nachdem der Börsenkurs von Activision signifikant gefallen ist, schickt CEO Bobby Kotick eine Mail an alle Angestellten, in der er die erste Reaktion seitens AB als unsensibel und stellt eine Liste an "sofortigen Änderungen" auf. Nur eine dieser Änderungen (Einstellungsprozesse) stimmt mit den Forderungen der Belegschaft überein, die die Angestellten von Blizzard mit einer Streikankündigung zum kommenden Mittwoch verlautet haben.
Auch kündigt Kotick eine Prüfung der Firmenpolitik seitens der Anwaltskanzlei "WilmerHale" an, die er im Brief als externe und unabhängige Seite bezeichnet. Später stellt sich heraus, dass diese Kanzlei als "Union Buster" bekannt ist, eine für den Arbeitnehmer arbeitende Firma, die auch bei Amazon sämtliche Versuche einer Gewerkschaftsbildung im Keim ersticken soll.
Ungefähr zur gleichen Zeit kommen Details zur intern bekannten "Cosby Suite" ans Tageslicht. Dieser Raum wurde schon in vorherigen Kommentaren erwähnt, als eine hinter vorgehaltener Hand genutzte Bezeichnung für ein mysteriöses Zimmer mit einer schwammigen Historie der Mißhandlung von Frauen, sowohl psychisch als auch physisch. Kotaku führt in einem Bericht aus, was es mit der "Cosby Suite" auf sich hat.
Während viele Führungspersonen immer noch behaupten, von der Kultur innerhalb Blizzards dunkleren Ecken nichts gewusst zu haben, zeichnen Kommentare und Bilder aus den sozialen Medien ein anderes Bild - und in vielen davon spielt die "Cosby Suite" eine große Rolle. Der Spitzname gehörte ursprünglich offenbar einem Hotelzimmer von Alex Afrasiabi während der BlizzCon 2013, zusammen mit J. Allen Brack einem von zwei Männern, die auch in der Klage namentlich genannt wurden. Ob der Name tatsächlich aufgrund der Tatsache gewählt wurde, dass Bill Cosbys Ruf auch vor der Verurteilung zur Vergewaltigung nicht frei von Geschichten und Zeugenaussagen war, oder ob es - wie die beschuldigten Blizzard-Mitarbeiter sagen - sich allein von der Farbe des Teppichs der "Suite" ableitet, die an Cosbys Hemd erinnern soll, ist nicht erwiesen.
"Während einer Firmenveranstaltung (einer jährlichen Tagung namens Blizz Con [sic]) machte sich Afrasiabi an weibliche Angestellte heran, indem er ihnen sagte, dass er sie heiraten wolle, versuchte, sie zu küssen, und seine Arme um sie legte", heißt es in der Klage laut Kotaku. "Dies geschah vor den Augen anderer männlicher Angestellter, darunter auch Vorgesetzte, die eingreifen, und ihn von den weiblichen Angestellten wegziehen mussten. Afrasiabi war für seine Belästigungen von Frauen so bekannt, dass seine Suite nach dem mutmaßlichen Vergewaltiger Bill Cosby den Spitznamen 'Cosby Suite' erhielt." Bei der Suite handelte es sich um einen mit Alkohol ausgestatteten Treffpunk mit einem Portraitposter des Namensgebers.
Kotaku berichtet: "Ein weiteres Bild zeigt einen Screenshot eines Gruppenchats aus dem Jahr 2013 mit dem Namen "BlizzCon Cosby Crew". Darin schreibt der ehemalige Blizzard-Designer David Kosak: "Ich sammle die heißen Chixx für die Coz".
"Bring sie mit", antwortet Afrasiabi. "Du kannst nicht ALLE von ihnen heiraten, Alex", schreibt Kosak. "Ich kann, ich bin aus dem Mittleren Osten", antwortet Afrasiabi. Jesse McCree, derzeit leitender Spieldesigner bei Blizzard, schreibt dann: "Du hast "ficken" falsch geschrieben"
Cory Stockton, derzeit leitender Spieldesigner bei Blizzard, und Greg Street, ehemaliger Blizzard-Entwickler, der derzeit an einem neuen MMO bei Riot Games arbeitet, waren ebenfalls in dem Chat anwesend."
Auf einem von Kotaku beschriebenen Bild sitzt eine Gruppe von Frauen auf einem Bett in dem Raum mit dem Cosby-Porträt. Eine der Frauen scheint eine Hand auf der Brust einer anderen zu haben, was von den Männern in den Kommentaren bejubelt wird. Laut den von Kotaku beschafften Bildern und zwei Quellen mit Kenntnissen über Afrasiabis angeblichem, raubtierhaftem Verhalten war Cosbys Ruf laut Kotaku offenbar der Grund dafür, dass sich die Männergruppe auf den Fotos um sein Bild scharte.
Afrasiabi hat Blizzard 2019 ohne öffentliche Erklärung oder Ankündigung verlassen. Anspielungen auf seine Person innerhalb World of Warcraft wurden mittlerweile entfernt, nachdem ein NPC mit seinem Namen für Tage seit Start der Verhandlung von WoW-Spielern bespuckt und immer wieder getötet wurde. Afrasiabi ist übrigens der Mitarbeiter vom BlizzCon-Video oben, der den "Victoria's Secret"-Katalog aufgebracht hat, der die Designer von WoW-Charakteren inspirieren solle.
Die Belegschaft von Blizzard hat mittlerweile den ersten Streik hinter sich gebracht. Ob sich Änderungen durchsetzen, wird sich zeigen.
Activision Blizzard hat ein ursprünglich geplantes All-Hands-Meeting auf Eis gelegt, und setzt stattdessen auf "Diskussions-Sessions", zu der sich Mitarbeiter in kleinem Kreis dezidiert anmelden müssen, um dann in einem Raum mit der Führungsriege sprechen zu können. Die Punkte des Streiks wurden bisher nicht in signifikanter Weise addressiert oder umgesetzt.
Michaela Nienaber
Dies wurde mir vor Jahren auf dem Parkplatz von Blizzard von jemandem überreicht, der mehr als ein Jahrzehnt älter ist und einen höheren Posten im Unternehmen innehat. Ich war ein Associate Artist nach dem College. Ich habe ihre romantischen Annäherungsversuche mehrmals abgelehnt. Wenn Sie das lesen, denken Sie vielleicht: "Armer Kerl, er mochte Sie, wie herzlos"
---
Es ist mir egal, ob die Leute diese Geschichte nicht gut finden - sie ist für jeden, der sich allein gefühlt hat, während andere das Verhalten von jemandem aufgrund seines Status oder seines "harmlosen Äußeren" entschuldigten. Ich bin es leid, dass Frauen ihre Wut unter den Teppich kehren müssen, weil "es nicht körperlich war.
----
Betty Jiang
Der in diesem Beitrag erwähnte Artist ist John Polidora
Im Alter von 22 bis 24 Jahren lebte ich in ständiger Angst, weil ich wusste, dass er vor seinen Kollegen bei Blizzard schlecht über mich sprach. Weil ich mich entschieden hatte, nicht mit ihm auszugehen.
Und dort sind wir jetzt. Mehr oder Weniger. Es gibt noch viele, viele weitere Tweets, Facebook-Posts und Interviews, viele Reddit-Beiträge, TikToks und News, und ich kann nicht viel mehr machen, als jeden Leser dieses Beitrags aufzufordern, eine Suchmaschine ihrer Wahl zur Hand zu nehmen.
Immer mehr Menschen sprechen sich gegen Blizzard und die Behandlung von weiblichen Mitarbeitern aus. Täglich erscheinen neue Berichte, Aussagen und Bezeugungen auf Twitter und anderen sozialen Medien.
Das WoW-Reddit stellt sich - aktuell - ebenfalls gegen Blizzard und geschlossen, mit anderen Blizzard-Redditgruppen, gegen die Mißhandlung und Unfairness gegenüber Frauen.
Viele Overwatch-Ligamitglieder haben ebenfalls ihre Stimme erhoben, und Fans legen ihre Accounts auf Eis.
Das Gerichtsverfahren wird weitergehen, und mehr Zeugen werden zur Sprache kommen. Ob vor Gericht, oder auf Twitter.
Aber im Gesamtbild spielt all das nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist, zu realisieren, dass diese Dinge nicht nur bei Activision Blizzard passieren, sondern überall. Wichtiger ist, die Frauen zu Wort kommen zu lassen, die all dies am eigenen Leib miterleben mussten und müssen. Wichtig ist, ihnen zu glauben.